#Digitalisierung (Part 02) – Das ist doch nichts Neues!

EINE WISSENSCHAFTLICHE BEGRIFFSBESTIMMUNG VON DIGITALISIERUNG UND INDUSTRIE 4.0

Digitalisierung wird heute gerne als Oberbegriff für die im ersten Artikel geschilderten dynamischen Entwicklungen nach dem mooreschen Gesetzt benutzt. Digitalisierung ist aber auch ein Buzz-Word, welches oft mit dem Begriff Industrie 4.0 vermischt wird. (Vgl. Wagner 2018, S. 4). 

Die wissenschaftliche Begriffsbestimmung ist daher besonders wichtig, denn hinter der Digitalisierung verbirgt sich mehr als nur ein Verständnis. Es stellt sich somit die Frage, gibt es eine einheitliche Definition für Digitalisierung? Im folgenden Artikel sollen deshalb die verschiedenen Dimensionen und Bedeutungen von Digitalisierung erläutert werden.

1. Digitalisierung im 20. Jahrhundert

Digitalisierung im ursprünglichen naturwissenschaftlich bzw. technischen Sinne beschreibt „die Umsetzung von kontinuierlichen Signalen der analogen Welt in eine Codierung“ (Breyer-Mayländer 2017, S. 1). Analoge Signale sind wert- und zeitkontinuierlich, digitale Signale sind wert- und zeitdiskret (Vgl. Gehrke et al. 2017, S. 13), siehe Abbildung 1. 

Abbildung 1: Verlauf eines analogen und digitalen Signals (in Anlehnung an Gehrke et al. 2017, S. 13.)

Bei digitalen Signalen entstehen je nach Abtastrate, gewisse Informationsverluste, weil nicht alle Feinheiten abgebildet werden können. Durch diese Rasterung benötigen digitale Signale weniger Speicherplatz. Die Signale auf einer CD sind beispielsweise digital, wohingegen die Signale auf einer Schallplatte analog sind (Vgl. Mertens et al. 2017, S. 35). Digitale Daten haben jedoch den Vorteil, dass sie elektronisch gespeichert und verarbeitet werden können. Um früher eine Audiokassette zu kopieren, musste diese 1:1 auf eine andere Kassette überspielt werden, was viel Zeit beanspruchte. Digitale Audioformate, wie MP3 oder MP4, lassen sich hingegen in kürzester Zeit beliebig oft kopieren.

Die Substitution analoger Produkte durch digitale hat in den frühen Jahren der Digitaltechnik zunächst kaum für Veränderungen im Markt gesorgt. Ein Produkt wurde durch ein Neues ersetzt, die Hersteller benötigten dafür zwar neue Maschinen zur Produktion und die Kunden neue Geräte für die Nutzung, aber sonst blieb weitestgehend alles beim Alten. Es war die evolutionäre Weiterentwicklung von bestehenden Produkten und Geschäftsmodellen. Die Audio-CD war kleiner und kompakter und durch die Abtastung mittels Laser waren bei der Wiedergabe keine Störgeräusche mehr vorhanden (Vgl. Cole 2017, S. 17). Von tiefgreifenden Änderungen in der Gesellschaft konnte damals nicht die Rede sein (Vgl. Breyer-Mayländer 2017, S. 1). Doch mit Erfindung des MP3-Formats und dem Aufleben von Tauschbörsen im Internet, wurde das bisheriges Geschäftsmodell der Musikindustrie durch digitale Raubkopien zunehmend unter Druck gesetzt.

Bis zu diesem Zeitpunkt verstanden die meisten Unternehmen unter Digitalisierung lediglich den Einsatz von Mikrochips in der Produktion zur weiteren Automatisierung und Effizienzsteigerung. Digitalisierung wird daher auch oft mit der dritten industriellen Revolution in Zusammenhang gebracht. Der PC (Personal Computer) wurde zunächst am Arbeitsplatz eingeführt und später auch im Privathaushalt. Im weiteren Verlauf kamen Softwareprogramme wie Office-Anwendungen und erste ERP-Systeme hinzu (Vgl. Bendel 2018). 

So gesehen ist Digitalisierung nichts Neues, sondern ein Prozess, der bereits in den frühen Siebzigern des letzten Jahrhunderts mit der Entwicklung der ersten Mikroprozessoren begann und bis heute anhält (Vgl. Kagermann und Lukas 2011). 

Heutzutage ist fast alles digitalisiert. Problematisch hierbei ist jedoch, dass nicht alles, was in einem Digitalformat abgespeichert wurde, auch gefunden werden kann. Es handelt sich dabei um sogenannte „nicht kodierte Daten“. Office-Dateien, Bilder, Videos, Audiodaten oder eingescannte Dokumente. Sofern diese Daten nicht mit Hilfe von Schlagworten indiziert wurden, ist die Suche danach sehr mühsam (Vgl. Cole 2017, S. 17–18). 

Mittlerweile gibt es Unternehmen die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) diese Problematik angehen. Mittels automatisierter Dokumentenverwaltung und Analysen können auch unkodierte Daten gefunden werden. (Vgl. Kunisch und Karlstetter 2018).

Diese Technologien gehören zur Digitalisierung im klassischen Sinne (Umwandlung analoger Formate in digitale Formate). Zusätzlich zum genannten Beispiel, drängen noch viele weitere Technologien auf den Markt, die im Rahmen von „Digitalisierung“ genannt werden. Ein Schwerpunkt für Industrieunternehmen sind Technologien die unter die „Industrie 4.0“ fallen.

2. Der Begriff Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 wurde am 25. Januar 2011 von der Promotorengruppe um Kagermann et. al. als Zukunftsprojekt für die deutsche Industrie vorgeschlagen und auf der Hannover Messe 2013 erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt (Vgl. Breyer-Mayländer 2017, S. 3). 

Historisch betrachtet gab es drei industrielle Revolutionen (Vgl. Becker et al. 2017, S. 8):

  1. Einführung von mechanischen Produktionsanlagen (Ende 18. Jahrhundert)
  2. Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion mit Hilfe von elektrischer Energie (Beginn 20. Jahrhundert)
  3. Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automatisierung der Produktion (Beginn 70er Jahre des 20. Jahrhunderts)
  4. Industrie 4.0 wird als die vierte Industrielle Revolution betrachtet
Abbildung 2: D. Napier & Son Ltd, ‚Aero Engine in the Making‘, England, circa 1918. Bildquelle

Im Abschlussbericht wird Deutschland als „einer der konkurrenzfähigsten Industriestandorte weltweit“ (Kagermann et al. 2013, S. 17) beschrieben und Industrie 4.0 soll dazu dienen, die Führungsposition weiter auszubauen. Die technologische Basis bilden sogenannte Cyber-Physical Systems (CPS) und das Internet der Dinge (IoT). Das können beispielsweise „intelligente Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel“ sein, welche „eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig selbstständig steuern.“ Ziel ist es, eine smarte Fabrik, Maschine oder Anlage zu schaffen, welche sowohl in die horizontale, als auch in die vertikale Wertschöpfungskette eingebunden ist (Vgl. Kagermann et al. 2013, S. 5).

Die Konzepte, die hinter Industrie 4.0 stehen, wurden nach der Veröffentlichung sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachwelt breit diskutiert (Vgl. Breyer-Mayländer 2017, S. 4). Becker stellt beispielsweise die Frage, ob es sich bei Industrie 4.0 wirklich um eine Revolution handelt. Seiner Meinung nach sollte eher von einer Evolution gesprochen werden, da viele Konzepte und Technologien bereits existieren und nur eine Weiterentwicklung oder Kombination derer darstellen. Außerdem wird sich die Entwicklung über Jahrzehnte erstrecken und nicht alles schlagartig ändern (Vgl. Becker et al. 2017, S. 11). 

Abbildung 3: Robotik ist eines der Kernelemente von Industrie 4.0. Bildquelle

Laut Wagner sehen einige Unternehmen Industrie 4.0 als Chance, sich neu zu erfinden, während andere eher skeptisch sind und dazu neigen, erstmal abzuwarten. Für viele Unternehmen besteht ein Zielkonflikt. Einerseits besteht die Gefahr, wichtige Entwicklungstrends zu verpassen und auf der anderen Seite, Geld für unwirtschaftliche Prototypen zu verschwenden. Besonders kleine mittelständische Unternehmen (KMU) neigen dazu, eine abwartende Haltung anzunehmen, da ihre finanziellen Spielräume geringer sind als die der großen Konzerne (Vgl. Schallow et al. 2018, S. 19). 

Eine abwartende Haltung kann jedoch gefährlich sein. Breyer-Mayländer bedient sich dem Beispiel des „digitalen Frosches“. So flüchtet ein Frosch zwar vor heißem Wasser, setzt man ihn hingegen in ein Wasserbad und erhöht die Temperatur stufenweise, bemerkt der Frosch die Gefahr erst, wenn es zu spät ist. Daraus folgt, dass kleine Veränderungen im zeitlichen Verlauf dafür sorgen können, dass sich am Ende das „komplette Umfeld gewandelt hat“ (Breyer-Mayländer 2017, S. 6).

3. Digitalisierung nach heutigem Verständnis

An dieser Stelle verschwimmen die Grenzen zwischen dem Begriff Industrie 4.0 und Digitalisierung, denn oft finden bei beiden Bereichen dieselben Diskussionen statt. Auch Hess stellt zunächst fest, dass gewisse Ausprägungen der Digitalisierung, wie zum Beispiel die IT-basierte Optimierung von Geschäftsprozessen und Automatisierung, kein gänzlich neues Phänomen ist, sondern schon vor 20 Jahren das Thema vieler Unternehmen war. Neu hierbei ist allerdings der starke Druck zum Wandel, der in den letzten Jahren, bedingt durch zahlreiche technologische Fortschritte, deutlich zugenommen hat (Vgl. Hess 2016). 

Zum gleichen Schluss kommt auch Schlotmann. Seiner Meinung nach sind die Begriffe rund um Digitalisierung „sehr unkonkret“ und beschreiben eine Entwicklung, „die schon länger besteht, aber nun eine besondere Dynamik erhält“ (Schlotmann 2018, S. 7).

Hanschke schreibt, dass sich beim Vergleich verschiedener Definitionen zur Digitalisierung, vor allem branchenbezogene Definitionen je nach Schwerpunkt der Arbeit ergeben. Oft handelt es sich dabei um technologieorientierte Ansätze, bei denen eine neue Technik, wie z.B. Big Data oder Industrie 4.0 im Mittelpunkt steht (Vgl. Hanschke 2018, S. 3).

Hierzu zwei branchenbezogene Definitionen: 

„Der Kern der Digitalisierung: Informationen liegen digital vor und können von Systemen und Maschinen verarbeitet werden – sie werden operabel.“  

(Schlotmann 2018, S. 12)

 „Die Vernetzung von Produkten und Prozessen sowie die Verbindung von physischer und virtueller Welt machen den Kern der Digitalisierung aus.“

(Demary et al. 2016, S. 5)

Diese Beschreibungen beziehen sich allerdings eher auf das Verständnis des 20. Jahrhunderts. Nach heutigem Verständnis fehlt bei diesen Definitionen die Erweiterung auf den digitalen Wandel. Denn laut Hess wird Digitalisierung heute meistens mit dem Begriff der digitalen Transformation gleichgesetzt. Damit ist der durch Informations- und Kommunikationstechnologie hervorgerufene Wandel gemeint, welcher mittlerweile alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat. Angefangen beim Privatleben über die Arbeitswelt in Unternehmen bis hin zu staatlichen Systemen und der Politik (Vgl. Hess 2016).

Der Systemtheoretiker Schuldt definiert den Wandel, indem er beschreibt, dass sich unsere Gesellschaft „inmitten eines epochalen Evolutionssprungs befindet“ (Schuldt 2018). Durch die digitale Vernetzung erweitern sich die Möglichkeiten enorm, wie jeder Mensch mit anderen in Kontakt treten und kommunizieren kann. Dadurch entsteht ein neuer Grad der Komplexität (Vgl. Schuldt 2018). 

Schuldt plädiert dafür, den Wandel nicht mit Technologie gleichzusetzen:

„Der digitale Wandel ist kein rein technologisches Phänomen, sondern ein soziotechnischer Prozess. Der Mensch rückt dabei immer mehr ins Zentrum – gerade weil digitale Technologien eine immer wichtigere Rolle in allen Lebensbereichen spielen.“ (Schuldt 2018)

Hanschke definiert Digitalisierung in diesem Zusammenhang für die Wirtschaft:

„Digitalisierung bezeichnet den Wandel zu neuartigen, häufig disruptiven Geschäftsmodellen mittels Informations- und Kommunikationstechnik.“ (Hanschke 2018, S. 3)

Aufgrund dieses Wandels sehen sich viele Unternehmen mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen konfrontiert: Veränderte Kundenbedürfnisse hin zu immer individuelleren Produkten, verstärkter Wettbewerb sowie immer kürzere Innovations- und Produktlebenszyklen. Das Gleiche gilt für bestehende Geschäftsmodelle (Vgl. Hanschke 2018, S. 1).

Bei der Begriffsdefinition von Digitalisierung kommt es daher immer auf den Kontext an. Wie die Beispiele gezeigt haben, gibt es unterschiedliche Wege sich dem Thema zu nähren, dazu gehören technologische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Sichtweisen. Dennoch kann man diese nicht klar voneinander trennen, da es immer Überschneidungen gibt.  

Nach dem heutigen Verständnis und aus einer ökonomischen Betrachtungsweise bedeutet Digitalisierung vor allem Veränderungen über Strukturen und Hierarchien hinweg. Die Geschichte der letzten Jahrzehnte hat bereits gezeigt, zu welch drastischen Veränderungen es durch neue Technologien und Geschäftsmodelle kommen kann. Manch ein altbewährtes Unternehmen wurde von neuen Mittbewerbern geradezu in die Bedeutungslosigkeit geschickt. Die schwedische Firma Nokia war einst Marktführer im Mobiltelefonmarkt, dann kam Apple und benötigte nur vier Jahre, um Nokia vom Thron zu verdrängen (Vgl. Cole 2017, S. 29). Die Firma Kodak ist heute Geschichte, weil sie nicht an den Erfolg der digitalen Fotografie glaubte, dabei haben ebenjene diese sogar mit erfunden (Vgl. Breyer-Mayländer 2017, S. 100). 

Die aktuell geführte Diskussion stellt somit vorwiegend die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Viele fühlen sich regelrecht „getrieben durch den Wettbewerb“ (Hanschke 2018, S. XI). Tech-Giganten wie Google, Amazon und Apple setzen heutzutage Standards und laut Christoph Keese besteht die Gefahr, dass Deutschland, wenn überhaupt, nur zur „verlängerten Werkbank“ der Kalifornier im Silicon Valley wird (Vgl. Keese 2016, S. 12).

Abbildung 4: Google Campus mit Android Oreo Logo (Eigene Aufnahme 2017)

Einen Großteil des Wohlstands in Deutschland ist der Automobilbranche (406 Mrd. € Umsatz in 2017) sowie dem Maschinen- und Anlagenbau (219 Mrd. € Umsatz in 2017) zu verdanken (Vgl. Mittermeier 2016). Doch gerade der Automobilbau wird aktuell von einer neuen Technologie, dem Elektroauto, sowie einem neuen Wettbewerber nämlich Tesla bedrängt. Auch deshalb fördert die Politik das Thema Industrie 4.0 so stark. Gerade im Dienstleistungsbereich ist Deutschland meilenweit in Rückstand zum Silicon Valley geraten, wie Christoph Keese im ersten Kapitel „Im Land des digitalen Defizits“ seines Buches „Silicon Germany“ beschreibt (Vgl. Keese 2016, S. 15). 

Abbildung 5: Tesla Factory in Fremont (Eigene Aufnahme 2017)

2017 durften wir als eine der ersten Studentengruppen überhaupt an einer Werksführung in der Tesla Factory in Fremont im Silicon Valley teilnehmen. Teilweise waren Roboter zu sehen, aber wir waren ebenfalls überrascht, wieviel „Handarbeit“ und manuelle Fertigungsprozesse wir dort noch zu Gesicht bekamen. Das dürfte ein Grund sein, weshalb Tesla Schwierigkeiten mit den Lieferzeiten hatte und weit weg von der Gewinnzone lag. Dennoch ist der Konzern bis heute erfolgreich, was primär an der hervorragenden Software liegen dürfte. Denn der Hersteller versorgt seine gesamte Flotte mit regelmäßigen Updates. Im Silicon Valley spürt man deutlich ein ganz anderes Mindset. Die Software steht im Mittelpunkt des Produkts. Mit der Entscheidung nun auch in Deutschland ein Werk zu bauen, wird sich Tesla viel Know-How im Bereich der Fertigung und Zulieferer einkaufen. Die Luft wird somit zunehmend dünner für die deutsche Automobilindustrie.

Kritische Haltungen zur Digitalisierung

Blickt man in die deutsche Literatur, so gibt es grundsätzlich zwei Haltungen zur Digitalisierung. Einige Autoren relativieren die Entwicklung und sehen sie eher als Evolution vorhandener Technologien. Das andere Lager sieht die deutsche Wirtschaft kurz vor dem Kollaps, da an altbewährten Strategien festgehalten wird und man nicht zu neuen Geschäftsmodellen wechselt. Der Untertitel des Buchs Digitale Transformation von Tim Cole lautet beispielsweise: „Warum die deutsche Wirtschaft gerade die digitale Zukunft verschläft und was jetzt getan werden muss“ (Cole 2017).

Es stellt sich die Frage: Handelt es sich hierbei nur um einen gehypten Trend? Ist das nur Geldmacherei von Beratungsfirmen und in ein paar Jahren ist das Thema wieder vergessen? Mertens stellt fest, dass der Begriff „Digitalisierung“ seit etwa drei Jahren „plötzlich mit einer kaum je beobachteten Häufigkeit“ sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit auftaucht (Vgl. Mertens et al. 2017, S. VII). 

Das belegt auch eine Google Trends Recherche: 

Abbildung 6 Interesse im zeitlichen Verlauf (2005-2020) am Suchbegriff „Digitalisierung“ in Deutschland. Quelle: Google-Tends.

Mertens hat sich in seinem Buch „Digitalisierung und Industrie 4.0 – eine Relativierung“ intensiv mit dem Begriffsverständnis beschäftigt. Hierbei kommt er zu dem Schluss, dass Digitalisierung oft als Synonym für andere Sachverhalte verwendet wird. Er stellt weiterhin fest, dass im „nicht-wissenschaftlichen Raum und in populären Medien“ […] „der Begriff „Digitalisierung“ recht unspezifisch und inflationär benutzt“ wird ( Mertens et al. 2017, S. 40). Das heißt, Digitalisierung wird im heutigen Sinne in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet und interpretiert. Bei der Recherche konnte Mertens Team über 2500 Vokabeln um das Wort „digital“ finden. Die schiere Anzahl an Wörtern wie z.B. „Digitale Demenz“, „Digitaldemokratie“, „Digitaler Marshallplan“, „Diktat des Digitalen“, „Land der digitalen Denker“ usw. (vollständige Liste siehe Mertens et al. 2017, S. 52–54.) wird „als ein Indiz für eine modische Überhöhung“ (Mertens et al. 2017, S. XI) gewertet. Eine Modewelle in der Technik besteht oft aus Übertreibungen und den Interessen verschiedener Akteure, wie beispielsweise Politiker und Unternehmensberater, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auch Schlotmann kritisiert beispielsweise: „Zu viele stilisieren einen Trend nach dem anderen kollektiv zur größten Veränderung aller Zeiten hoch, ohne konkret zu werden.“ (Schlotmann 2018, S. 7)

Ausblick und Zusammenfassung

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass hinter der Digitalisierung ein wichtiger Wirtschafts- und Wettbewerbsfaktor steckt, Unternehmen die in diesem Punkt fortgeschritten waren, hatten beispielsweise deutlich weniger Probleme auf Remote-Work umzustellen. Dennoch stellt sich die Frage, wie man technologische Hypes beurteilen kann und was es mit Disruption, Innovation und neuen Geschäftsmodellen auf sich hat. Mit diesen und weiteren Frage wird sich der nächste Beitrag befassen.

In diesem Artikel wurde erläutert, was unter der „klassischen“ Definition von Digitalisierung zu verstehen ist, nämlich die Umsetzung von analogen Daten in digitale Daten. Des Weiteren wurde der Begriff der Industrie 4.0 beschrieben, welcher einen Teilbereich der Digitalisierung mit relevanten Technologien für die Industrie darstellt. Im Allgemeinen gibt es für die Digitalisierung nach heutigem Verständnis technologische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Definitionen, in der Literatur findet sich daher kein eindeutiges Begriffsverständnis. Es existiert jedoch ein gewisser Konsens darüber, dass heutzutage in den meisten Fällen mit dem Begriff der Digitalisierung, der digitale Wandel über sämtliche Strukturen unserer Gesellschaft gemeint ist.

Hier geht’s zum Teil 3: https://www.frederikm.de/2021/01/14/digitalisierung-part-03-alles-nur-ein-hype/

(Dieser Artikel erschien ursprünglich am 5. Januar 2021 auf meinem LinkedIn-Account.)

Quellen:

  • Becker, Wolfgang; Ulrich, Patrick; Botzkowski, Tim (2017): Industrie 4.0 im Mittelstand. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
  • Bendel, Oliver (2018): Definition: Digitalisierung. Gabler Wirtschaftslexikon. Online verfügbar unter https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/digitalisierung-54195/version-277247, zuletzt aktualisiert am 19.02.2018, zuletzt geprüft am 18.10.2018.
  • Breyer-Mayländer, Thomas (2017): Management 4.0 – den digitalen Wandel erfolgreich meistern // Management 4.0 – Den digitalen Wandel erfolgreich meistern. Das Kursbuch für Führungskräfte. München: Hanser.
  • Cole, Tim (2017): Digitale Transformation. Warum die deutsche Wirtschaft gerade die digitale Zukunft verschläft und was jetzt getan werden muss! 2. Aufl. München: Franz Vahlen. Online verfügbar unter https://doi.org/10.15358/9783800653997.
  • Demary, Vera; Engels, Barbara; Röhl, Klaus-Heiner; Rusche, Christian (2016): Digitalisierung und Mittelstand. Eine Metastudie. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft Medien GmbH (IW-Analysen, Nr. 109). Online verfügbar unter http://hdl.handle.net/10419/157156.
  • Gehrke, Winfried; Winzker, Marco; Woitowitz, Roland; Urbanski, Klaus (Hg.) (2017): Digitaltechnik. Grundlagen, VHDL, FPGAs, Mikrocontroller. 7., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin: Springer Vieweg (Springer-Lehrbuch).
  • Hanschke, Inge (2018): Digitalisierung und Industrie 4.0 – einfach und effektiv. Systematisch & lean die Digitale Transformation meistern. München: Hanser (Hanser eLibrary). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.3139/9783446452992.
  • Hess, Thomas (2016): Digitalisierung — Enzyklopaedie der Wirtschaftsinformatik. Hg. v. Norbert Gronau. Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik. Online verfügbar unter http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung/index.html, zuletzt aktualisiert am 23.11.2016, zuletzt geprüft am 07.10.2018.
  • Kagermann, Henning; Lukas, Wolf-Dieter (2011): Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution. vdi-nachrichten. Online verfügbar unter https://www.vdi-nachrichten.com/Technik-Gesellschaft/Industrie-40-Mit-Internet-Dinge-Weg-4-industriellen-Revolution, zuletzt aktualisiert am 01.04.2011, zuletzt geprüft am 04.11.2018.
  • Kagermann, Henning; Wahlster, Wolfgang; Helbig, Johannes (Hg.) (2013): Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlußbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. Unter Mitarbeit von Henning Kagermann und Siegfried Dais. Essen: Forschungsunion Wirtschaft – Wissenschaft.
  • Keese, Christoph (2016): Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen. 1. Auflage. München: Knaus; Penguin.
  • Kunisch, Matthias; Karlstetter, Florian (2018): Die Bedeutung von KI im Dokumentenmanagement. Vogel Communications Group GmbH & Co. KG. Online verfügbar unter https://www.cloudcomputing-insider.de/die-bedeutung-von-ki-im-dokumentenmanagement-a-689619/, zuletzt aktualisiert am 07.03.2018, zuletzt geprüft am 19.12.2018.
  • Mertens, Peter; Barbian, Dina; Baier, Stephan (2017): Digitalisierung und Industrie 4.0 – eine Relativierung. Wiesbaden: Springer Vieweg. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-19632-5.
  • Mittermeier, Alexander (2016): Umsatzstärkste Branchen in Deutschland: Autos geben den Ton an › GeVestor. GeVestor Financial Publishing Group. Online verfügbar unter https://www.gevestor.de/details/das-sind-die-5-umsatzstaerksten-branchen-in-deutschland-766100.html, zuletzt geprüft am 30.09.2018.
  • Schallow, Julian; Hengstebeck, André; Deuse, Jochen (2018): Industrie 4.0 – eine Bestandsaufnahme. In: Rainer Maria Wagner (Hg.): Industrie 4.0 für die Praxis, Bd. 19. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 15–28.
  • Schlotmann, Raimund (2018): Digitalisierung auf mittelständisch. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
  • Schuldt, Christian (2018): Ein neuer Blick auf Digitalisierung. Zukunftsinstitut GmbH. Online verfügbar unter https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/digitalisierung/ein-neuer-blick-auf-digitalisierung/, zuletzt aktualisiert am 24.05.2018, zuletzt geprüft am 18.10.2018.
  • Wagner, Rainer Maria (2018): Einleitung: Industrie 4.0 und Digitalisierung – Erfolgspotenziale für Unternehmen. In: Rainer Maria Wagner (Hg.): Industrie 4.0 für die Praxis, Bd. 34. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 3–13.

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